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Seit rund vier Milliarden Jahren entwickelt sich das Leben auf der Erde in einem faszinierenden evolutionären Prozess. Doch wie verändern sich die Proteine, die molekularen Maschinen in den Zellen, über diesen unfassbar langen Zeitraum? Forscher der Universität Zürich haben in einer Studie den Einfluss von einer Milliarde Jahren Evolution auf die Taktung dieser molekularen Maschinen entschlüsselt.
Proteine sind die elementaren Bausteine des Lebens. In ihrer Funktion als molekulare Maschinen erfüllen sie in allen Arten lebensnotwendige Funktionen – ob nun in Menschen, Fischen, oder in Lebensformen, die bereits ausgestorben sind.
Seit rund vier Milliarden Jahren entwickelt sich das Leben auf der Erde in einem faszinierenden evolutionären Prozess. Doch wie verändern sich die Proteine, die molekularen Maschinen in den Zellen, über diesen unfassbar langen Zeitraum? Forscher der Universität Zürich haben in einer wegweisenden Studie den Einfluss von einer Milliarde Jahren Evolution auf die Taktung dieser molekularen Maschinen entschlüsselt. Die Ergebnisse, veröffentlicht im renommierten Journal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), bieten einen einzigartigen Blick auf den Einfluss der Evolution auf die elementarsten Bausteine des Lebens.
Seit Milliarden von Jahren gibt es auf der Erde nachweisbares Leben, das sich in einem evolutionären Prozess in jede denkbare Nische auf unserem Planeten entwickelt hat. Die Vielfalt des Lebens, die durch die Evolution entstanden ist, wird nicht nur mit bloßem Auge sichtbar, nämlich anhand von unterschiedlichen Schädelformen und Knochengrößen, oder anhand fassbarer Unterschiede im Stoffwechsel und bei den Sinnesorganen. In der Evolution verändern sich auch die molekularen Merkmale, wie die Struktur der kleinsten Bausteine des Lebens, die der Proteine – molekulare Maschinen in den Zellen.
Forscher an der Universität Zürich (UZH) haben in einer aktuellen Studie einen faszinierenden Einblick darüber gewonnen, welche Auswirkungen hunderte Millionen Jahre auf die Taktung dieser molekularen Maschinen haben. Wie stark verändern sich die Proteine über einem unbegreiflich langen Zeitraum? Die Ergebnisse, veröffentlicht im Journal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), beleuchten die Auswirkungen der Evolution für einen Zeitraum von einer Milliarde Jahre. „Proteine sind molekulare Maschinen, die in den Zellen aller Lebewesen essenzielle Aufgaben erfüllen. Proteine sind dynamisch, sie verändern ständig ihre Form.“, sagt Biochemiker Philipp Heckmeier, der das Projekt initiiert und geleitet hat. „Funktioniert die Dynamik, die Taktung der Maschinen in menschlichen Proteinen genauso schnell wie in gleichartigen Maus-, Fisch-, oder Korallen-Proteinen, also in Lebensformen, deren evolutionäre Distanz hunderte von Millionen Jahre beträgt?“
Ob Mensch, Maus, Huhn, Fisch, Muschel oder Koralle – die grundlegenden Prozesse in onkologisch relevanter Protein-Familie sind nahezu identisch
Um das herauszufinden, untersuchten die Forscher eine Proteinfamilie, die essenziell für das Überleben von Zellen ist und im Zentrum derzeitiger Krebsforschung steht, die BCL-2 Familie. Durch einen molekularen Schalter, den sie mit Laserlicht einschalten konnten, brachten sie zehn eng verwandte Proteine „aus dem Tritt“. Diese Destabilisierung der Proteine verursacht, dass sich das Protein kurzzeitig umformt – eine „Antwort auf das Aus-dem-Takt-Bringen“. Diese Antwort haben die Forscher im Labor von Professor Peter Hamm (UZH) anhand von Infrarot-Spektroskopie zeitlich auflösen können.
„Für alle untersuchten Proteine beginnen die Antwort im Nanosekunden-Bereich. Eine Nanosekunde entspricht einer Milliardstel Sekunde, also 0,000 000 001 Sekunden – eine kaum vorstellbare kurze Zeitspanne.“, so Heckmeier. In ihrem Versuch mit zehn Proteine aus unterschiedlichen Tierarten fanden die Forscher heraus, dass alle einen artspezifischen, aber sehr ähnlichen „Fussabdruck“ hinterlassen, wenn man sie aus dem Takt bringt. „Wir haben für alle untersuchten Proteine denselben Fussabdruck festgestellt, egal ob das Protein nun aus einem Menschen stammt, aus einer Maus, einem Huhn, einem Zebrafisch, einer Muschel oder aus einer Koralle. Obwohl zwischen diesen Spezies hunderte Millionen Jahre Evolution liegen. Das ist bemerkenswert.“, sagt der Forscher.
Künstliche Intelligenz sagt fast identische Strukturen der Proteine voraus
Die Wissenschaftler konnten mithilfe künstlicher Intelligenz (Google's AlphaFold) vorhersagen, dass nicht nur die Dynamik der Proteine sehr stark erhalten ist, sondern auch deren Struktur. Heckmeier vermutet: „Das untersuchte Protein ist besonders konserviert, weil es ein überlebenswichtiges Protein für gewebebildende Tiere ist. Wenn sich nur ein wenig dessen Struktur, dessen Taktung oder dessen Funktionsweise verändert, kann das Lebewesen keine Gewebe mehr aufrechterhalten und stirbt.“
Weitere Erkenntnisse, die Forscher gewonnen haben, deuten darauf hin, dass der Grad der Erhaltung eines Prozesses damit verbunden ist, wie stark er an die Funktion des Proteins gekoppelt ist. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass ein funktionell eher unwichtiger Prozess über die Zeit abdriften und langsamer werden kann, ohne dass die Funktion des Proteins beeinträchtigt wird. Der Prozess war vermutlich einem geringeren selektiven Druck ausgesetzt.
Die Forschungsergebnisse werfen ein neues Licht auf die Zeitskalen, in denen sich Leben auf der Erde verändert. „Hier beobachten wir den Effekt von einer Milliarde Jahren auf Prozesse, die im Milliardstel einer Sekunde stattfinden. Wir schlagen eine Brücke zwischen den kürzesten Zeitskalen des Lebens zu den längsten. Unvorstellbar viele Generationen an Lebewesen müssen immer wieder dieselben Informationen weitergegeben haben, damit die Proteintaktung in unveränderbarer Form erhalten bleibt. Über eine Milliarde Jahre hinweg.“
Literatur:
P.J. Heckmeier et al.: A billion years of evolution manifest in nanosecond protein dynamics. PNAS, Feb 2024. DOI: 10.1073/pnas.2318743121
Philipp J. Heckmeier (Postdoctoral Researcher at Hamm Group) Email Author
Reserach on Ultrafast Dynamics of Proteins @ UZH
Department of Chemistry (Homepage)
2024-02-27, Sci. Publication